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Artist in residence in Paris

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Artist in residence in Paris

#unibzcareers: Fotografin, Netzwerkerin, Bergmensch, nunmehr artist in residence in Paris. Die Villnösserin Jasmine Deporta lässt die Grenzen zwischen Kunst und Design verschwimmen.

Die 31-jährige Jasmine Deporta hat sich 2009 an der HTW Berlin für Kommunikationsdesign inskribiert, dann aber 2010 an die Fakultät für Design und Künste in Bozen gewechselt und dort ihr Studium beendet. Schon während ihrer Studienjahre war sie als Fotografin und Designerin selbstständig tätig und arbeitete nach dem Studium in den Bereichen Kommunikation, Art Direction, Creative Project Development und Consulting. Daneben hat sie stets ihre eigenen, künstlerischen Projekte vorangetrieben. 2017 fasste Jasmine den Entschluss, sich zur Gänze der Kunst zu widmen und zog nach Berlin. 2018 wurde sie an der renommierten ECAL - Ecole cantonale d’art de Lausanne (CH) aufgenommen und absolvierte dort ihren Master für Fotografie, den sie im September 2020 mitten in der weltweiten Pandemie abgeschlossen hat. Derzeit lebt und arbeitet sie zwischen Lausanne, wo sie lebt und arbeitet, und Südtirol und Berlin.

Sie haben an der Fakultät für Design und Künste studiert, bewegen sich jetzt aber eher in Richtung Kunst – wie hat sich dieser Weg vollzogen?
Jasmine Deporta: Mir war es seit jeher wichtig, mir einen breitgefächerten Überblick zu verschaffen und ohne Einschränkung kreativ zu arbeiten. Dass meine Praxis nach und nach ‚künstlerischer‘ geworden ist, hat sich über die Jahre intuitiv ergeben. Bereits während meines Studiums habe ich versucht, an Projekte so frei als möglich heranzugehen, an der unibz als auch später an der Écal wurde das gut aufgenommen und auch gefördert. Wie bei vielen Kreativen waren es am Anfang eher kleine, kommerzielle Jobs, schließlich wurden über die Jahre mehr und mehr auch meine selbstinitiierten, freien Projekte bekannt. So nahm alles seinen Lauf.

Wie würden Sie Ihr Schaffen heute umreißen?
Meine Praxis ist eine Fusion des praktischen, objekthaften und vor allem räumlichen Arbeitens mit einem Fokus auf das Visuelle und Bildhafte in der Fotografie. So galt mein Interesse in den letzten Jahren verstärkt der Ausarbeitung von Projekten, die Fotos aus ihrer Null-Dimension ziehen und in sie in den Raum übersetzen. Meine Diplomarbeit mit dem Titel ‚Photography as object in a digital era – or the desire to materialize a zero-dimensional code‘ behandelte hybride Werke zwischen Skulptur und Fotografie, so genannte ‚Photographic sculptures‘.

Ist Ihre Leidenschaft für die Fotografie während des Studiums geweckt worden?
Meine Leidenschaft für die Fotografie wurde mit 9 Jahren geweckt, als ich von meiner Patentante meine erste analoge Kompaktkamera geschenkt bekommen habe. Ich fotografierte alles, was mich umgab und verstand, dass es eine intuitive Art darstellte, mein Umfeld festzuhalten. Mein Weg hat sich auch während der Ausbildung in Richtung Fotografie bewegt, jedoch wusste ich von Anfang an, dass ich nicht ‚nur‘ Fotografin sein wollte, weswegen mir die Ausbildung einen breiten Einblick in das ‚kreatives Schaffen’ geben sollte.


Welche Fächer haben Sie währen des Studiums am meisten geprägt?
Während des Bachelorstudiums prägte mich der Einblick in sehr unterschiedliche Disziplinen über das Projektarbeiten in Produkt- als auch Kommunikationsdesign. Für mich persönlich waren der Austausch und die Begegnungen prägend. Im Studium hat man die Möglichkeit, sich mit so vielen Persönlichkeiten auszutauschen, sei es Professoren, Kommilitonen oder mit der Lieblingsköchin in der Mensa. Erfahrungswerte und Erinnerungen, gute wie schlechte, sind am Ende einschneidend und lehrreich. An der Uni in Bozen habe ich die vor allem das praktische Arbeiten in den Werkstätten und die Werkstattleiter sehr gemocht. Dort habe ich viel Zeit verbracht. Wenn ich in Bozen bin und Zeit habe, schaue ich immer bei Alex und Curzio im Fotostudio auf einen Ratscher vorbei.

Wenn Sie sich beschreiben würden, wäre dies als Fotografin oder verschwinden die Grenzen zwischen den Disziplinen?
Definitionen sind etwas, worüber ich in den letzten Jahren viel nachgedacht habe, nicht nur in Bezug auf künstlerische Disziplinen, sondern im Zwischenmenschlichen. Grundsätzlich habe ich ein Bedürfnis, Dinge zu kategorisieren und zu definieren, gibt es uns Menschen doch ein Gefühl von Sicherheit. Andererseits sind wir gesellschaftlich an einem Punkt, der nicht mehr fest ist, sondern fluid ist. Verbunden mit einer neuen Weltordnung, gesellschaftlichen, technologisch, ökonomischen, oder soziologischen Veränderungen hat auch die Definition von Fotografie und Kunst eine grundlegende Befragung und Fluktuation erfahren. Es entstand die Notwendigkeit für neue Darstellungsformen für eine einer immer abstrakter werdenden Realität.

Eröffnet dies künstlerisch auch neue Möglichkeiten?
Für mich persönlich eröffnen sich in diesem fluiden Kontext neue Möglichkeiten und Bewegungsräume. Ich würde demnach sagen, dass ich einen transdisziplinären Ansatz habe - mich interessiert es beispielsweise in der Fotografie materielle Eigenschaften hervorzuheben und Volumen und eine physische Präsenz einzufordern. Meine Arbeit, die auf einer fotografischen Praxis basiert, verleiht sich demnach in Form von Installationen, Performances, Videos sowie Buchprojekten, Ausdruck. Ob das dann am Ende noch Fotografie ist oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Natürlich gibt es in gewissen Kontexten den Bedarf nach einer Definition, in dem Fall versuche ich meine Praxis mit dem Begriff ‚Visual artist‘ zu umschreiben.

Was erwarten Sie sich von Ihrem Stipendium als artist in residence in Paris, gestiftet von der Stiftung Südtiroler Sparkasse?
Vor allem erwarte ich mir Zeit und Raum, um mich auf die Entwicklung und Ausarbeitung eines neuen künstlerischen Projektes zu konzentrieren. Durch mein Studium im französischsprachigen Teil der Schweiz kam ich letzthin stark mit dem französischen Kulturraum in Berührung – die Residency ist damit ein logischer und wertvoller Schritt diese kulturelle Landschaft tiefergehend zu beleuchten und mich nachhaltig zu vernetzen. Die Residenz in der Cité in Paris bietet mir in diesem Zusammenhang nicht nur Räumlichkeiten zum Arbeiten, sondern auch die Möglichkeit, mich intensiv und unabhängig mit meinen Projekten auseinanderzusetzen, meine Arbeitsmethodik weiterzuentwickeln und zu festigen. Zudem ist es eine Chance, mich in einem außergewöhnlichen Umfeld weitgehend auf die Ausarbeitung von neuen Werken für die im Rahmen der Residenz geplante Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Südtiroler Künstlerbund zu konzentrieren.

Planst Sie Ihre Karriereschritte oder fügt sich vieles zufällig ineinander?
In meiner künstlerischen Praxis bin ich sehr intuitiv. Ich plane meine Schritte nicht exakt, sondern habe eine Art ‚Liste‘ im Kopf, deren Punkte ich Schritt für Schritt in Angriff nehme. Mir sind stabile Rahmenbedingungen wichtig, um von dort möglichst agil und flexibel weiterzugehen. Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass sich bis zum Ende viele Sachen um 180 Grad drehen und man nie zu 100 Prozent planen kann. Manchmal hängt alles mit dem richtigen Zeitpunkt zusammen, für den man bereit sein muss.

Hat die Corona-Zeit in Ihnen Ängste bezüglich Ihrer Zukunft geweckt?
Grundsätzlich habe ich immer gewisse Zukunftsängste, das wurde durch die omnipräsente Ungewissheit und dem Stillstand durch die Pandemie natürlich noch verstärkt. Die Situation im vergangenen Jahr hat nicht nur den Wiedereinstieg nach meinem Studium erschwert, sondern auch die Arbeitsmöglichkeiten stark beeinflusst. Dies hat sich nicht nur bei der Finanzierung von Projekten, sondern vor allem beim Finden eines leistbaren Arbeitsraums gezeigt. Diese Bedingungen haben das räumliche Arbeiten und meinen Wunsch mit verschiedenen Materialien zu experimentieren stark eingeschränkt. Das hatte auch eine gewisse Antriebslosigkeit zur Folge. Umso mehr ist das im Rahmen der Residency zur Verfügung gestellte Studio eine tolle Möglichkeit, Ideen in die Tat umzusetzen.

 

Worin sind Sie in den vergangenen Monaten gestärkt worden?
Das ich von zwei verschiedenen Jurys für die Residency in Paris ausgewählt wurde hat mir auf jeden Fall einen wichtigen Impuls gegeben und mein Selbstbewusstsein gestärkt. Ansonsten bin ich unter anderem darin bestärkt worden, dass es auch in Ordnung ist, manchmal eine Pause einzulegen, etwas für dich selbst zu tun und die Freizeit zu genießen, und dies als ein ‚Energie auftanken‘ für intensivere Momente zu sehen.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?
Wenn es möglich ist, würde ich erst einmal gerne in der Schweiz bleiben und mir hier ein zweites Standbein aufbauen. Kunst und Kultur wird hier sehr stark gefördert und es gibt interessante Möglichkeiten, außerdem ist die Lebensqualität ähnlich wie in Südtirol sehr hoch. Ich arbeite daran, mein Netzwerk hier aber auch international auszubauen. In Lausanne bin ich strategisch gut und zentral gelegen, Mailand und Paris sind nur 3 Stunden mit dem Zugentfernt, andere Städte sind über den Flughafen in Genf einfach erreichbar. Grundsätzlich bin ich mit meiner Location also recht flexibel.
Wie bisher will ich meine Verbindung und mein Netzwerk zu Südtirol aufrechterhalten, das hat über die letzten Jahre eigentlich sehr gut geklappt. Mein großer Wunsch ist es, meinen Lebensmittelpunkt in der Nähe der Berge zu schaffen und von dort international zu arbeiten. Außerdem würde ich weiterhin gerne in regelmäßigen Abständen Residencies machen, da dies eine erfrischende Abwechslung zur Routine darstellt und einem die Möglichkeit gibt zu experimentieren und Projekte auszuarbeiten.

(vic)