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Free University of Bozen-Bolzano

Departments CC Regional History

10 May 2018 17:30-19:00

Frieden, Brot und Boden. Das Jahr 1919 in Italien

Vortrag von Roberto Bianchi (Univ. Florenz) im Rahmen der Reihe "Zeitenwende 1918. Das Ende des Ersten Weltkriegs und die Folgen", organisiert vom Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte

Departments CC Regional History

Das Königreich Italien war einer der Siegerstaaten des Ersten Weltkriegs, aber die sozialen, ökonomischen und politischen Folgen des Krieges zogen das Land stark in Mitleidenschaft. Der Große Krieg verstärkte die sozialen Konfliktlinien, die den Staat in den letzten 50 Jahren charakterisiert hatten und warf neue politische Gräben auf. Seit dem ersten Friedenswinter war klar, dass die Versprechungen der Kriegspropaganda nicht eingehalten werden würden. Vor diesem Hintergrund kam es 1919 zu einer ganzen Reihe von politischen Mobilisierungen, Streiks und Aufständen, die zu sozialen und politischen Konflikten führten. Gemeinsam mit dem Aufkommen neuer Akteure und Programme nahmen letztere Einfluss auf den Erneuerungsprozess der Beziehungen zwischen Staat und Gesellschaft, der Sieger- und Verliererstaaten gleichermaßen betraf.


Nach dem Weltkrieg, als sich die Informationen über die europäischen Revolutionen und die Gründung neuer Staaten verbreiteten, traten in Italien zum einen wieder traditionelle populare Protestformen zum Vorschein, die auf die Besetzung von Land, die Plünderung von Bäckereien und der Besitzungen der führenden Klassen zielten. Die „guardie rosse“, der internationale Generalstreik sowie das Aufkommen gewaltbereiter Gruppen wiesen allerdings auch schon auf die Herausbildung der modernen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts hin.
An diesem Schnittpunkt vollzog sich die Krise des liberalen Staates. In der Folge entstanden Parteien, die eine große Rolle in der Geschichte Italiens spielen sollten, und es nahmen Erwartungen und Projekte Gestalt an, die sich für die Schaffung einer auf neuen Prinzipien basierenden Gesellschaft stark machten.


Im Rahmen einer kritischen Analyse älterer, eingefahrener Interpretationen wird der Vortrag zeigen, dass das Jahr 1919 kein revolutionär-bolschwistisches Jahr, sondern ein in politischer Hinsicht überaus aktives und ideenreiches Jahr war und dass die Jahre 1919/20 weniger ein „biennio rosso“ (rotes Biennium), sondern zwei vielfältige und bunte Jahre waren. Der Vortrag behandelt die drei wichtigsten Entwicklungen, die Einfluss auf die politischen und sozialen Konflikte des Jahres 1919 nahmen: der „Boden“ (terra), mit dem Kampf der Bauern um die Kontrolle des Ressourcen und des öffentlichen Raums; das „Brot“, mit den Lebensmittelunruhen, die das ganze Land erschütterten, sowie der „Frieden“, mit der Realisierung des ersten internationalen Streiks gegen den Krieg des 20. Jh. Das sind drei Aspekte einer Nachkriegszeit, die in ähnlicher Weise „groß“ und grausam war, wie der Krieg „groß“ und brutal war.

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