In der Europäischen Union werden jedes Jahr etwa 89 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet, was geschätzte wirtschaftliche Kosten von 143 Milliarden Euro verursacht. Die Anhäufung dieser Restbiomasse ist der größte Schaden für die Agrar- und Ernährungswirtschaft. Allein auf die Obst- und Gemüseverarbeitung entfallen rund 50 Prozent der anfallenden ökologischen Nebenprodukte.
Generell sind Nebenprodukte der Agrar- und Ernährungsindustrie aufgrund ihrer inhärenten Eigenschaften (hoher Wassergehalt, schnelle Oxidation, Anfälligkeit für enzymatischen und mikrobiellen Verderb) nur begrenzt verwertbar. Darüber hinaus ist die Entsorgung mit hohen Umweltbelastungen und Kosten verbunden. Vor diesem Hintergrund ist der effektive Umgang mit Nebenprodukten und Abfällen aus der Lebensmittelkette weltweit ein Thema von großer ökologischer und ökonomischer Bedeutung. Effiziente und nachhaltige Recyclingverfahren sind daher mehr denn je gefragt.
Die wichtigsten Verwertungsstrategien sind bisher die direkte Verwendung als Tierfutter, die Herstellung einiger weniger Derivate (z.B. organische Säuren, Enzyme und Pektin) oder die Entsorgung in Verbrennungsanlagen. Diese Matrizen sind jedoch (noch) potenzielle Quellen für Nährstoffe, Fasern, Chemikalien und Pflanzeninhaltsstoffe sowie biogene Verbindungen (z.B. phenolische Verbindungen), die weit besser als bisher genutzt werden können. Um diese Restressourcen nutzen zu können, ist häufig ein Umwandlungsprozess erforderlich, der durch die mikrobielle Aktivität der Fermentation ausgelöst werden kann. Dennoch ist die maßgeschneiderte mikrobielle Fermentation als Mittel zur Nutzung der inhärenten Restbioaktivität von Nebenprodukten der Agrar- und Ernährungsindustrie vielversprechend und vielseitig, wird aber noch zu wenig genutzt. Bemerkenswert ist auch das wachsende Interesse an der Schaffung neuer Lieferkettenmodelle auf der Grundlage alternativer Lebensmittelquellen, wie z. B. Rohstoffquellen für alternative Proteine. Aufgrund ihrer inhärenten chemischen und funktionellen Eigenschaften erfordert die Verwendung solcher Rohstoffe als Lebensmittel- und/oder Getränkezutaten die Anwendung maßgeschneiderter Fermentationsverfahren.
In diesem Zusammenhang zielt das Zentrum darauf ab, das Potenzial von Milchsäurebakterien, Hefen und anderen mikrobiellen Gruppen für die Entwicklung von Ad-hoc-Fermentationsprozessen, einschließlich Präzisionsfermentationsprozessen, zu erforschen, die in der Lage sind, Abfälle, Nebenprodukte und alternative Rohstoffe in neue Ressourcen für die Entwicklung von mit biogenen Verbindungen angereicherten Lebensmittelzutaten und Nahrungsergänzungsmitteln sowie für die Herstellung von nutrazeutischen Verbindungen für die Lebensmittel-, Pharma- und Kosmetikindustrie umzuwandeln.